2-phasiger Wettbewerb „Besucher- und Bildungszentrum UNESCO Geopark Muskauer Faltenbogen“, 2. Preis (von drei 2. Plätzen) und Beauftragung – Umsetzung 2022 – 2027, mit RBZ Generalplanungsgesellschaft mbB
Wettbewerb
Ziel des Wettbewerbes ist es, durch Umnutzung und bauliche Erweiterung des historischen Kavalierhauses im Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau ein zeitgemäßes Ausstellungsgebäude zu schaffen. Gesucht ist ein zukunftsweisender, nachhaltiger und betriebskostenarmer Bau für die Einrichtung der integrativen, geowissenschaftlichen Ausstellung in Ergänzung des historischen Kavalierhauses und unter Nutzung dessen besonders erhaltenswerter Räume.
Entwurf
Am Anfang des Entwurfes steht ein dezenter und dabei äußerst wirkungsvoller Eingriff: das Abrücken des Neubaus vom Bestandsgebäude. Es entsteht ein symbiotisches Gegenüber zweier Körper, aus deren Spannungsfeld ein neuer Ort entspringt.
Das denkmalgeschützte Kavalierhaus und der langgestreckte elegante Neubau spannen einen intimen Freiraum auf – einen Hof, der neue atmosphärische und funktionale Möglichkeiten bietet. Dabei liegt der Neubau ruhig im Hintergrund des Kavalierhauses und erzeugt durch den baulichen Versatz und die klare Eingangsgeste eine subtile Anziehungskraft. Neugierde ergreift die BesucherInnen und zieht sie in den Innenhof.
Der abgerückte Neubau stärkt die Präsenz und Bedeutung des Kavalierhauses und folgt der hierarchischen Kleiderordnung. Zum selben Zwecke liegt der Haupteingang auf der Hofseite des Bestandsgebäudes. Zum Muskauer Park hin treten die Gebäudeteile als ruhiges geschlossenes Ensemble in Erscheinung.
Nur zum Hof öffnet sich der Neubau und zeigt sein grünes Innere. Der Blick wandert durch die räumlichen Sequenzen, die Erwartung steigt. In der Spiegelung der Glasfassade nimmt man die ein- und austretenden BesucherInnen wahr, dreht sich zum Kavalierhaus und betritt die Ausstellung.
Umgang mit dem Bestandsgebäude
Das denkmalgeschützte Kavalierhaus wird soweit wie möglich in seiner gegenwärtigen Form belassen. Tragwerksrelevante Eingriffe sind nur im östlichen Bereich des Erdgeschosses notwendig, der zukünftigen Foyerzone. Hier werden die in der baukonstruktiven Stellungnahme dargestellten Wandabbrüche übernommen. Weitere Unterzüge ermöglichen zusätzliche Wandöffnungen, um eine großzügige Foyerzone zu ermöglichen. Der neue Haupteingang und die Austritte aus dem Café werden aus bestehenden Fensterelementen entwickelt.
Beide Bestandstreppenhäuser bleiben erhalten. Eine neue Treppe und ein Aufzug südlich des Foyers verbinden das Erdgeschoss mit dem Untergeschoss und ermöglichen den BesucherInnen das Abtauchen in die Ausstellung. Weitere Eingriffe beschränken sich auf Ausbauelemente und Technikdurchführungen.
Im Untergeschoss wird das Kavalierhaus an den Neubau mittels zweier Durchbrüche angeschlossen. Eine Absenkung der Bodenplatte gemäß baukonstruktiver Stellungnahme erhöht die Raumhöhen im Untergeschoss und stellt eine Abdichtungsebene gegen drückendes Grundwasser her.
Landschaft
Die Freianlagen gliedern sich in vier Freiräume, die sich als Teil der Ausstellung begreifen. Im Sinne Fürst Pücklers bilden sie im Zusammenspiel mit den Architekturelementen ein harmonisches Ganzes. Untereinander sind sie im Laufe des Ausstellungsrundganges über subtile und direkte visuelle Hinweise miteinander verbunden.
Durch behutsame Anpassungen in der Wegeführung versteht sich der Vorplatz weiterhin als Teil des Parks und wird erst in der Flucht des Besucherzentrums visuell und materiell durch den Übergang zum Hof gebrochen. Eine Mauer aus Ziegeln führt die BesucherInnen entlang einer flachen Rampe in den Hof.
Der Hof ist unaufgeregt gestaltet. Ein hochwertiger Bodenbelag aus Naturstein nimmt die Spannung zwischen Kavalierhaus und der großzügigen Glasfront des Neubaus auf. Die Glasfront lässt einen ersten Blick auf die Baumwipfel des Tertiärhains zu und stellt bereits Raumbezüge zum späteren Verlauf der Ausstellung her. Der Hof bietet ausreichend Platz als Treffpunkt für BesucherInnen, zur Einführung von Schulgruppen, für unterschiedlichste Veranstaltungsformate und für die Außengastronomie des Cafés.
Der Tertiärhain bildet die Vegetationsschichten des Tertiärs ab und lässt die BesucherInnen die zeitliche Vegetationsstaffelung und Umwandlungsprozesse nachempfinden. Die als Makro-Bonsai ausgeprägten Baumsorten (Chinazypresse, Ginko und Sicheltanne) können durch einen ebenerdigen Pfad im Hain erkundet werden. Der Boden des Tertiärhains wird mit unterschiedlichen Elementen wie Baumstämmen, Findlingen, Felsbrocken und einer Wasserfläche bespielt und erzeugt in Kombination mit dem Pfad eine natürlich wirkende Landschaft. Der Tertiärhain ist als Architektur-Landschafts-Hybrid zu verstehen, als Überlappungsraum mit diversen visuellen Verbindungsmomenten zum Kavalierhaus, zur Ausstellung und zum Klima-Arboretum.
Im weiteren Verlauf der Ausstellung gelangen die BesucherInnen in das Klima-Arboretum. Eine vom Gebäude aufsteigende, flache Rampe öffnet den durch eine Mauer abgegrenzten Gartenraum und mündet an einer Wasserfläche, aus dem ausgewachsene Tertiärbäume herausragen.
Atmosphäre
Warm flimmert die Sonne durch die feinen Nadeln der Sicheltanne auf die rohe Lehmziegelwand. Die Blätter der Farne folgen träge einer leichten Brise, die sich aus dem Park kommend in den Wipfeln der Bäume und den beiden Betonbalken verfängt. Der Raum öffnet sich weit zum Himmel. Eine kleine Gruppe geht auf dem Steg. Ihre Gespräche dringen gedämpft durch die Baumkronen des Tertiärhains. Hinter ihnen schimmert hellgelb die Fassade des Kavalierhauses. Der Blick schweift über die hellen Steinflächen, bleibt an Ecken hängen. Auf den Mauern tänzeln Sonnenstrahlen und Schatten. Langsam löst sich die Wahrnehmung. Es geht in die Gletscherwelt.
Fassade
Die Fassade hat die Aufgabe, sich in den umliegenden Gehölzsaum behutsam und sanft einzufügen. Das Schattenspiel aus hervor- und zurückgesetzten Ziegeln lässt einen Rhythmus entstehen, der einerseits die Länge der Fassade strukturiert und andererseits die vertikale Struktur der Bäume aufnimmt. Klare geometrische Elemente ergänzen das Erscheinungsbild der Fassade. Am Kavalierhaus öffnet sich die Mauer durch eine perforierte durchlässige Fassade. Vom Park aus entsteht so eine interessante Überlagerung zwischen Neu und Alt; vom Hof wiederum flimmert der umliegende Gehölzsaum durch die Mauer.
Material und Klimakonzept
Die Kombination dreier Ziegelsorten ermöglicht eine präzise Anpassung der Gebäudehülle an die jeweiligen Bedingungen. Zwischen Außenluft und beheiztem Innenraum (Ausstellungsflächen) sorgen höchstwärmedämmende Hochlochziegel für den notwendigen Wärmeschutz. Als haptische und ästhetische Außenhülle und nicht zuletzt aus Gründen des Wetterschutzes werden diese mit Vormauerziegeln (Wasserstrichverfahren) verkleidet.
Die Wände zwischen Tertiärhain und beheiztem Innenraum werden aus Lehmziegeln hergestellt, die hervorragende temperatur- und wasserspeichernde Eigenschaften haben.
Eine Ausbauwand aus Gipsplatten bietet den KuratorInnen alle Möglichkeiten, die Ausstellungsflächen den Konzepten und Vorstellungen anzupassen.
Aluminiumelemente (u.a. Pfosten-Riegel-Fassade) ergänzen die erdigen Materialien und fügen dem Gebäude Detailgenauigkeit und Präzision hinzu.
Material und Raumklima des Neubaus sind zusammen gedacht. Die hohe Speichermasse der eingesetzten Materialien (Stahlbeton, Lehmziegel, Ziegel) gibt dem Neubau eine klimatische Trägheit, die den Einsatz der Raumlufttechnik auf das Nötigste reduziert.
Während der Sommermonate ist das Glasdach über dem Tertiärhain geöffnet (außer bei Unwetter), sodass sich die Wärme nicht hinter der Glasfassade aufstauen kann. Zentral angesteuerte Lüftungsklappen werden in der Nacht geöffnet, sodass die (relativ) kalte Luft die Speichermasse des Gebäudes herunterkühlt. Tagsüber ist die Konstruktion in der Lage, Temperaturspitzen abzupuffern. Nur bei Überschreitung von definierten Temperaturen greift die Raumlufttechnik ein. Zusätzlich wird die Fußbodenheizung zur Kühlung der Räume verwendet.
Im Winter kehrt sich das Prinzip um. Für die Raumluft der Ausstellungsflächen durchströmt die kalte Außenluft die dezentralen Lüftungsgeräte und wird erwärmt (WRG) in die Ausstellungsflächen eingebracht. Zusammen mit der großflächigen Glasfassade nach Süden fängt das Glasdach die Sonnenenergie ein. Der Tertiärhain funktioniert dann wie ein Treibhaus. Die Fußbodenheizung unterstützt die dezentralen Lüftungsgeräte. Auch im Winter ist die große Speichermasse der Konstruktion von Vorteil. Kurze Kälteeinbrüche können abgepuffert werden, sodass die Heizleistung relativ konstant bleiben kann.
Der Temperaturverlauf über das Jahr darf moderat schwanken (z.B. zwischen 18°C und 26°C), um den Energiebedarf des Gebäudes zu reduzieren und die Vorteile des Raumklimakonzeptes voll auszunutzen.