2. Preis / Goethes Wohnhaus Weimar

Denkmalgerechte Instandsetzung und museale Neukonzeption des „Ensemble Goethes Wohnhaus“ in Weimar – Nichtoffener Realisierungswettbewerb, 2. Preis (von drei 2. Plätzen) – Umsetzung ca. 2023 – 2028, mit RBZ Generalplanungsgesellschaft mbB

Wettbewerb

Der historisch aufgeladene Ort mit seiner Geschichte und seinen Beständen wird darauf befragt, welche gesellschaftliche Positionierung und welchen Vermittlungsauftrag das Ensemble Goethe Wohnhaus mit derzeit jährlich 140.000 Gästen heute haben sollte. Ziel ist eine präzise Neudefinition des Ortes, die von Gegenwartsfragen ausgeht und Zugänge für die vielfältigen Zielgruppen schafft, die das Museum heute besuchen. Mit dem physischen Denkmal „Ensemble Goethe Wohnhaus“ als Ausgangspunkt soll für das gesamte Museum auch seine gesellschaftliche Wirkung im 21. Jahrhundert zukunftsfest gemacht werden.

Skizze des Gartens und Gartenpavillons

Haltung und Ziel

Es zieht neues Leben ein in Goethes Wohnhaus am Frauenplan 1 in Weimar. BesucherInnen erkunden das Haus, entdecken Zusammenhänge, lesen Zeitschichten, überliefern Erfahrungen, sammeln Kuriositäten und verstehen, wie die Menschen zu Goethes Zeit das Gebäudeensemble bewohnt und benutzt haben. Der Entwurf hat zum Ziel, die historische Vielfalt der räumlichen Eindrücke und Nutzungen aufzuspüren, freizulegen und mit präzisen Eingriffen darauf zu antworten. Indem die Räume in eine zeitliche Abfolge gebracht werden, entfalten sie im gegenseitigen Wechselspiel ihr ganzes atmosphärisches und kuratorisches Potential. Die Komplexität der Räume, Zeitschichten und Befundungen verlangt nach einer differenzierten und raumscharfen Herangehensweise. Die vorliegende Arbeit zeigt die Entwicklung einer Methodik und die Umsetzung dieser durch eine harmonische und gleichzeitig facettenreiche Architektur.

Methodik

Recherche: Alle Informationen zu den einzelnen Räumen werden gesammelt, sortiert und in Relation zueinander gebracht.

Kategorie: Je nach Denkmalwert und historischem Gehalt werden die Räume bestimmten Kategorien (1 – 5) zugeordnet, die konzeptionell begründet sind. Die Kategorien unterscheiden sich durch den möglichen Spielraum architektonischer und didaktischer Eingriffe und werden stufenweise geordnet, von minimalen zu raumgreifenden Maßnahmen.

Raumsequenz | Szenographische Abfolge: Innerhalb des Ensembles liegen die Raumgruppen in einer bestimmten Reihenfolge vor, die durch die Zuordnung der Kategorien eine Szenografie aufbaut. Durch den Wechsel der Eingriffstiefen und didaktischen Mittel erlebt die BesucherIn einen lebendigen Ausstellungsrundgang mit kuratiertem Spannungsbogen.

Eingriffe | Maßnahmen: Raumgruppen mit hoher Dichte an historischem Material und hohem auratischen Gehalt werden kaum berührt, aber durch sensible, häufig digital unterstützte Eingriffe für das Publikum erschlossen. Raumgruppen, die wenige historische Bezüge enthalten, können im Sinne einer zeitgenössischen Ausstellungskonzeption stärker überformt werden und so das didaktische Rahmenwerk des Hauses stellen.

Die Eingangssituation wird in ihrem Ablauf kuratiert: nach dem Betreten des Hofes startet der (barrierefreie) Rundgang im ÜBEBRLICK. Hier kann sich die BesucherIn anhand eines Modells orientieren, bekommt Öffnungszeiten, die Wegeführung und die Erschließbarkeit des Ensembles an die Hand.

Im RÜCKZUG haben die BesucherInnen Gelegenheit einen Augenblick innezuhalten und das bereits Gesehene wirken zu lassen. Sitzmöbel mit integrierten Taschen für Bücher und Informationsmaterial werden behutsam integriert. Zu Goethes Zeiten waren diese Räume der Familie vorbehalten, boten also ebenso eine Rückzugsmöglichkeit von der Öffentlichkeit, möglicherweise auch von der Arbeit und den kreisenden Gedanken.

In GOETHES WOHNUNG bekommt die BesucherIn direkten Zugang zum Arbeitszimmer, zur Bibliothek und zum Schlafzimmer Goethes. Die BesucherIn erfährt die Aura der Räume und wird vom historischen Gehalt berührt. Im Kontrast zu den anderen Kategorien sind keine eigenständigen Eingriffe zu erkennen, lediglich versteckte Vorkehrungen z.B. Lichtschranken dienen der Sicherheit der ausgestellten Objekte.

In den Räumen der ÜBERLIEFERUNG werden literarische Techniken spielerisch vermittelt. Die Vielfalt der Raumbezeichnungen in Goethes Wohnhaus zeigt die Veränderlichkeit von Namen und Bezeichnungen über die Zeit. BesucherInnen können mit bekannten und unbekannten Personen interagieren, indem sie Nachrichten versenden oder im Dialog aufzeichnen.

Erdgeschoss
Obergeschoss

Brückenzimmer

Wenige und äußerst präzise Eingriffe führen das Brückenzimmer möglichst nah an dessen Zeit heran. Die Heizkörper werden rückgebaut und die Sammlungsschränke an ihren alten Ort gestellt. Gleich einer Rochade rücken die Büsten und Postamente wieder in ihre angenommene Ordnung. Über den Durchgängen werden einfache Bretter angebracht, zwar in zeitgenössischer schlichter Gestalt, aber ebenso vollgeladen, wie in den historischen Darstellungen. Ein einziges Postament kommt in neuer Gestalt daher, fügt sich aber über Proportion und Farbigkeit harmonisch in den Raum ein. Hier kommt ein kompakter elektrischer Heizkörper und ggf. IT unter und es entsteht eine Oberfläche für Informationselemente. Der Raum erhält keine eigene Beleuchtung. Es stehen Akkulaternen bereit, sodass sich die BesucherInnen bei Einsetzten der Dämmerung selbstständig auf Entdeckungsreise begeben können und müssen.

Brückenzimmer: Grundriss
Brückenzimmer: Schnitt
Brückenzimmer: Abwicklung

Gartenpavillon

In der Weitergestaltung des Gartenpavillons zeigt sich archetypisch das architektonische Konzept in allen Facetten. Die ehemalige Nutzung als Ort der naturwissenschaftlichen Sammlung und als Kuriositätenkabinett wird ins Heute übertragen. Dazu wird auch die ursprüngliche Außenerschließung des Obergeschosses wiederhergestellt. Die neu errichtete Treppe entspricht in Dimension und Materialwahl den Vorgängertreppen, leugnet jedoch nicht ihren zeitgenössischen Ursprung. Durch die partielle Öffnung des Bauwichs im oberen Geschoss, die den eigenständigen Charakter des Pavillons betont, entsteht eine überraschende räumliche Situation zwischen innen und außen, Garten und Straße. Vom Frauenplan aus wird der präzise Eingriff sichtbar und kündet von den Dingen, die sich gerade im Ensemble Goethes Wohnhaus zutragen.

Gartenpavillon: Ansicht
Gartenpavillon: Schnitt
Gartenpavillon: Perspektive